Von Elke Theobald
Die Bedeutung der Marketing und Competitive Intelligence in den Unternehmen wächst, der Einsatz der Tools hinkt allerdings hinterher.
Im September 2016 wurden 126 Marketing Intelligence Professionals aus Deutschland zu ihren Tätigkeitsschwerpunkten befragt. Im Fokus der Studie standen die Veränderung der Aufgaben in den letzten Jahren, aktuelle Arbeitsschwerpunkte, die verwendeten Tools sowie die künftigen Bedarfe.
Marketing Intelligence wird stärker intern gefragt
Bei fast allen Studienteilnehmern ist in den letzten Jahren die interne Nachfrage nach Analysen und Informationen gewachsen – branchen- und größenübergreifend besteht ein zunehmender Bedarf an Marketing Intelligence in den Unternehmen. Entsprechend komplexer wird die Tätigkeit bei der Markt- und Wettbewerbsanalyse: Die Professionals berichten von steigendem Rechercheaufwand und den wachsenden Herausforderungen, die Daten aus unterschiedlichen Quellen zu validieren. Daneben bestimmen Ad-hoc-Analysen das Tagesgeschäft und die Anzahl der relevanten Zielmärkte wächst. Es verwundert nicht, dass die Marketing-Intelligence-Mitarbeiter eine wachsende strategische Bedeutung ihrer Arbeit erfahren, aber auch über Zeitnot und wachsende Komplexität klagen.
Der wichtigste Einsatzbereich der Competitive Intelligence ist die Wettbewerbsbeobachtung, sehr häufig speziell im Bereich der Preis- und Produktanalysen. Überraschenderweise erhalten die Wettbewerbskampagnen und damit der kommunikative Auftritt der Wettbewerber bislang nur eine vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit.
Marktanalysen werden im Allgemeinen deutlich seltener durchgeführt als Wettbewerbsanalysen. Die Unternehmen haben dabei vornehmlich die Zukunft des eigenen Angebots im Blick – so stehen vor allen Dingen technologische Entwicklungen im Fokus der Marktanalyse. Neben diesen strategischen Themen bedient die Marketing-Intelligence-Abteilung sehr stark das interne Berichtswesen und erstellt regelmäßig Berichte für das Management über die Lage der Märkte. Tiefergehende Analysen wie beispielsweise die Analyse der Strategien der Marktbearbeitung oder die Erarbeitung von Zukunftsszenarien werden deutlich seltener durchgeführt.
Wichtigste Informationslieferanten sind der Vertrieb und das Internet. Kostenfreie Informationsquellen werden bevorzugt.
Die wichtigsten internen Informationsgeber sitzen im Vertrieb und im Produktmanagement, für die Hälfte der Befragten sind auch die Informationen aus der F&E-Abteilung sehr wichtig.
Extern konzentrieren sich viele Unternehmen in ihrer Datensammlung auf Recherchearbeiten im Internet und auf die Überwachung der Wettbewerber-Seiten – sowohl manuell als auch softwarebasiert. Öffentlich zugängliche Daten zum Beispiel von Branchenverbänden oder aus anderen öffentlichen Datenbanken sind besonders relevant. Auch die Lektüre von Fachzeitschriften (online und offline) wird von über 50% der Befragten nach wie vor als sehr wichtig und unverzichtbar bewertet. Der Zukauf von Wettbewerber- und Marktdaten spielt nur für knapp 50% der Befragungsteilnehmer eine wichtige Rolle. Die Sozialen Medien erreichen im Ranking der externen Datenquellen nur den letzten Platz – was allerdings auf unsere Befragungsgrundgesamtheit vornehmlich aus B2B-Unternehmen zurückzuführen sein kann.
Die eingesetzten Tools haben deutlichen Verbesserungsbedarf.
Auf die Frage nach der gewünschten Unterstützung durch Tools bei der täglichen Arbeit kommen viele operative Themen hoch: Das Zusammenführen interner und externer Daten scheint ein großes Schnittstellenproblem für viele Marketing-Intelligence-Mitarbeiter zu sein. Unterschiedliche Datenquellen müssen für eine Analyse zusammengefügt werden und es mangelt im Alltag an der Unterstützung durch Softwareprogramme. Außerdem fehlen Instrumente, um internes Wissen abzurufen, und die Überwachung der Wettbewerber-Websites scheint eine Last im Alltag zu sein. Die Befragten sehen hier Effizienzreserven, die sich durch den Einsatz geeigneter Software mobilisieren ließen. Ebenfalls gewünscht werden zentrale Datenarchive, um aus verschiedenen Quellen Daten zu sammeln. Aber auch bei der Informationskommunikation gibt es Nachholbedarf: Das Strukturieren und die Verteilung der Informationen an relevante Empfänger beispielsweise mittels Newsletter scheint für die Befragten eine Herausforderung zu sein. Auch automatisch erstellte Powerpoints für die Markt- und Wettbewerbsreports wären für ein Drittel der Befragten erstrebenswert.
Die Marketing Intelligence Professionals sind unzufrieden mit ihrer Arbeit.
Kein einziger Befragter gab an, mit den Ergebnissen der Markt- und Wettbewerbsanalyse im eigenen Unternehmen absolut zufrieden zu sein. Immerhin mehr als ein Drittel der Probanden erklärte, mit den Ergebnissen der Markt- und Wettbewerbsanalyse teilweise unzufrieden oder extrem unzufrieden zu sein. Ein Grund für diese Unzufriedenheit ist sicherlich die Datenlage, die gerade im B2B-Bereich sehr häufig als dürftig zu bezeichnen ist, aber auch das Gefühl, zu wenig Zeit für analytische Tätigkeiten zu haben. Durch die Aufgaben der Datenrecherche, die Erstellung von Präsentationen und Berichten und die Vielzahl der Anfragen fehlt im Tagesgeschäft der Freiraum, um tiefergehende Analysen durchzuführen und neue Techniken zu erproben.
Vornehmlich hakt es an klaren internen Strukturen, an der internen Zusammenarbeit sowie an der Organisation und Automatisierung der Datenerfassung. Hoffnung macht, dass der Wille und das Interesse an einer Ausweitung der Tätigkeiten im Competitive-Intelligence-Umfeld bei etlichen Unternehmen groß sind.
Auf die Frage nach den Needs im Bereich der Markt- und Wettbewerbsanalyse wurde vornehmlich angemerkt, dass es vielen Unternehmen an internen Strukturen und Prozessen für die optimale Durchführung der Aufgabe „Marketing and Competitive Intelligence“ fehlt sowie an Automatisierungen und Tools, die die Datenmengen bündeln und strukturieren, um sie letztendlich wieder gezielt innerhalb des Unternehmens zu verteilen.
Wichtige kulturelle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Markt- und Wettbewerbsanalyse wie eine grundsätzliche Offenheit und eine Sensibilität der Mitarbeiter für das Thema „Marketing and Competitive Intelligence“ sowie eine gelungene interne Zusammenarbeit sind in vielen der befragten Unternehmen gegeben.
Marketing Intelligence liefert einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg.
Dass die Markt- und Wettbewerbsanalyse schon jetzt einen entscheidenden Beitrag zum Unternehmenserfolg liefert – darüber sind sich fast alle Probanden einig. Über 80% der Befragten liefern mit ihrer Arbeit einen Beitrag zur Marktbearbeitung und tragen mit ihren Analysen zur Vorbereitung wegweisender Entscheidungen bei. Der strategische Wert des Aufgabenfeldes ist durch die Einsichten, die das Management von ihrer „Marketing und Competitive Intelligence“ erhält, als hoch einzuschätzen.
Und auch bei grundlegenden Entscheidungen im Marketing, bei der Marketingplanung und in der Produkt-, Preis- und Kommunikationspolitik liegen die Vorteile einer guten Markt- und Wettbewerbsanalyse für die Kunden von „Marketing und Competitive Intelligence“ klar auf der Hand.
Stetig ist der Wandel auf den Märkten – die Tools bleiben allerdings gleich (beschränkt).
Die aktuellen Märkte und Wettbewerbsaktivitäten entwickeln sich für alle Befragten sehr dynamisch, es treten regelmäßig neue Wettbewerber auf und viele Märkte werden von Marktführern dominiert. Eine softwarebasierte Wettbewerbsbeobachtung kann dabei schnell zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden. Die meisten Befragten schätzen trotz der Komplexität und Dynamik der externen Entwicklungen ihr Unternehmen als sehr erfolgreich und ihre Marktpositionen als kaum bedroht ein.
Die unternehmensinterne Nachfrage nach Informationen nimmt in vielen Unternehmen zu, die Tätigkeit im Bereich der Markt- und Wettbewerbsanalyse wird in der Regel komplexer, aber auch bedeutender – also für das Unternehmen strategisch wertvoller. Die wichtigsten internen Informationsgeber sitzen im Vertrieb sowie in der Marktforschung, extern fokussieren sich die Unternehmen auf allgemeine Recherchearbeiten im Internet und die Überwachung von Wettbewerber-Seiten. Zwei Drittel der Befragten setzen in der Analyse auf Marktsegmentierung sowie Marktpotenzial- und Produktportfolio-Analysen.
Fast jeder Befragte nutzt Microsoft Excel im Rahmen seiner Arbeit, die Hälfte schätzt es gar als das „Software-Tool Nummer 1“ ein! Kaum im Einsatz sind spezielle Analyse-Software-Tools – selbst SPSS nutzt nur knapp ein Viertel der Befragten. Für die Zusammenführung von internen und externen Daten sowie die Überwachung von Wettbewerbsseiten und -aktivitäten wünschen sich viele Professionals mehr Software-Unterstützung. Gerade im Bereich der Tools klaffen die Bedeutung des Themas und die Professionalität der Arbeitswerkzeuge auseinander. So hat Excel deutliche Limitierungen bei der Analyse, der Darstellung von Zusammenhängen und der Berichtsgenerierung. Bei der Betrachtung vieler Fakten und die Beobachtung mehrerer Märkte werden die Dateien rasch unübersichtlich und nicht mehr handhabbar. Hier existieren bei sehr vielen Unternehmen Effizienzreserven, die durch moderne Werkzeuge der Markt- und Wettbewerbsanalyse gehoben werden können und mehr Zeit für analytische Tätigkeiten ermöglichen würden.
Prof. Dr. Elke Theobald
Studium der Computerlinguistik, Philosophie und Wirtschaftsinformatik in Heidelberg und Mannheim. Seit 1998 Professorin für computergestützte Medien an der Hochschule Pforzheim und Prodekanin der Fakultät für Wirtschaft und Recht. Forschungs- und Beratungsschwerpunkte in Marketing Intelligence, Online-Marketing und eBranding. Seit 2019 leitet sie als Studiendekanin den Masterstudiengang Marketing Intelligence.