Methoden der Wettbewerbsanalyse – Teil 3: Strategische Analysemethoden der Wettbewerbsanalyse und Sonderanalysen

Sonderanalysen der Wettbewerbsanalyse

  • Im Teil 1 der Methoden der Wettbewerbsanalyse erhalten Sie einen Überblick über die Analysemethoden der Wettbewerbsunternehmen.
  • Bei Teil 2 geht es um die Analyse des Leistungsporfoliosder Wettbewerber.
  • Teil 3 widmet sich den strategischen Analysemethoden und Sonderanalysen.

1. Patentanalyse

Technologische Neuentwicklungen haben oft das größte Potential, disruptive Veränderungen in einem ganzen Markt oder in einer Branche auszulösen. Traditionelle Geschäftsmodelle werden durch innovative, neue Produkte oder Dienstleistungen verändert oder abgelöst. Das Dilemma der Innovation in technologiegetriebenen Branchen besteht häufig darin, dass Unternehmen, die ursprünglich mit einer Innovation gewachsen sind, häufig auf ein bestimmtes Geschäftsmodell festgelegt sind. Sämtliche Organisations- und Vertriebsstrukturen sind auf die Optimierung dieses Geschäftsmodells ausgelegt. Große Umwälzungen oder gar ein von Grund auf neues Geschäftsmodell sind so nur schwer durchzusetzen und bringen große interne und externe Veränderungen mit sich. Start-ups haben hier den entscheidenden Vorteil in der Flexibilität und Experimentierfreudigkeit (Vgl. Christensen, Clayton 2011, S. 126.).

Das alleine sollte Grund genug sein, im Rahmen der Risikobewertung von Markt und Wettbewerb, aber auch im Zuge des Business Developments, sich mit neuen Technologien zu beschäftigen. Ziel ist, den Einfluss der Technologie auf den Markt und die Wettbewerbssituation frühzeitig abschätzen zu können. Auch Erkenntnisse, welche Technologien eine Optimierung der unternehmenseigenen Prozesse versprechen, sind wertvoll.

Hier setzt die Patentanalyse an: Durch die systematische Patentanalyse können öffentlich zugängliche Informationen über neue Technologien und Entwicklungen gewonnen werden, die für Innovationen und zur Strategieentwicklung im eigenen Unternehmen genutzt werden können.

Dabei werden die Patente des direkten Wettbewerbers, von innovativen Start-ups und Entwicklungen im Anwendungsgebiet der im eigenen Unternehmen eingesetzten Technologie in Augenschein genommen. Bei der Recherche hilft die internationale Patentklassifikation (IPC) (siehe Depatisnet), genau in den relevanten technologischen Gebieten zu recherchieren.

Quantitative Analyse

Eine statistische Analyse kann den Anfang der systematischen Patentanalyse darstellen. Bei quantitativen Analysen kann schnell festgestellt werden, wie viele Patente von der Konkurrenz in der jüngsten Vergangenheit angemeldet wurden. Das Unterfangen kann schwierig werden, wenn Mitbewerber Patente über verschiedene Tochterunternehmen anmelden. Bei Patenten, die nicht vom Wettbewerb kommen, können Informationen über Einsprüche gegen diese Patente durch die Konkurrenz vorliegen. Diese Informationen geben erste Abschätzungen zum Wert und der Bedeutung bestimmter Patentschriften. Auch der Ort der Anmeldung kann relevante Informationen beinhalten. Werden Patente gleichzeitig an mehreren Orten und Patentämtern angemeldet, deutet dies auf eine hohe Wertschätzung der damit verbundenen Innovation hin.

Werden statistische Daten zu den Patentaktivitäten der Wettbewerber in verschiedenen Technologiesegmenten über einen historischen Verlauf erhoben, kann die Dynamik der Forschungsaktivitäten untersucht werden. Verstärken die Wettbewerber ihre Aktivitäten in einem Technologiesegment? Wurden neue Technologiebereiche in die Forschung aufgenommen? Auch wenn Zahlen der angemeldeten Patente in einem bestimmten Segment stagnieren, ist dies aufschlussreich.

Qualitative Analyse

Bei der qualitativen Untersuchung der Patentschriften können Informationen zur relativen Fortschrittlichkeit der Wettbewerber im Verhältnis zum eigenen Unternehmen gewonnen werden.

Die qualitative Untersuchung wird häufig mit Hilfe der eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung durchgeführt oder unter Zuhilfenahme externer Technologieexperten. Bei der großen Zahl an Neuanmeldungen von Patenten ist eine direkte qualitative Untersuchung durch menschliche Analysten kaum möglich.

Hier helfen neuerdings Software-Tools, die dank semantischer Suchsysteme die Qualität abschätzen und die umfassenden Datenbanken nach relevanten Dokumenten durchforsten. Die Untersuchung kann entweder lokal mit den eigenen IT-Systemen durchgeführt werden – dazu müssen neben der Software auch die relevanten Datenbanken unternehmensintern zur Verfügung stehen.

Eine Alternative zu diesem Vorgehen ist eine präzise definierte Anfrage direkt an den Host entsprechender Datenbankanbieter. Man erhält in diesem Fall bereits aufbereitete Daten oder Patentstatistiken. Relevante Anlaufstellen sind hier das Deutsche Marken- und Patentamt (DPMA), das europäische Patentamt Espacenet (EPA) und Patentscope von der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO). Die Recherche in diesen Datenbanken ist kostenfrei und öffentlich über das Internet möglich. Über diese Services können auch kostenpflichtig Patentrecherchen in fremden Sprachen beauftragt werden.

Die strukturierte und kontinuierliche Analyse der „Patentlandschaft“ und der Patentaktivitäten im Konkurrenzumfeld ermöglicht Erkenntnisse, die auf die Strategien der Wettbewerber hindeuten. Patentaktivitäten sind deutliche Indikatoren, dass sich die Wettbewerber auf neue Märkte vorbereiten oder planen, neue Produktsegmente zu erschließen. Die Früherkennung von Technologietrends und aufstrebenden Newcomern fließen dann idealerweise direkt in die Wettbewerbsanalyse und in das Business Development ein.

Für eine tiefergehende Analyse empfiehlt sich die detaillierte Betrachtung der Patentportfolios einzelner Unternehmen. Patente können bezüglich verschiedener Dimensionen analysiert werden. Betrachten wir die im Unternehmen vorhandenen Patente anhand ihres Marktwertes und der Bedeutung für das aktuelle Geschäftsmodell, können schnell diejenigen Patente identifiziert werden, die die wichtigsten Pfeiler des Geschäftsmodells sind. Die Stars des eigenen Patentportfolios werden so auch auf den ersten Blick erkannt. Diese Patente sind mit allen verfügbaren Mitteln gegen Nachahmung durch Wettbewerber zu schützen. Hier bildet insbesondere die rechtliche Verfolgung von Patentverletzungen das Mittel der Wahl, um Konkurrenten aus dem eigenen Geschäftsfeld fernzuhalten.

Bei der Analyse der eigenen Patente mit hohem Marktwert und einer geringen Bedeutung für das aktuelle Geschäftsmodell könnten strategische Überlegungen zur Ausgliederung, dem Verkauf oder der Etablierung neuer Geschäftsfelder Handlungsoptionen sein. Aber auch taktische Möglichkeiten könnten erwogen werden, wie die Nutzung als Sperrpatent, also zur Verhinderung der Nutzung dieser Technologie durch die Konkurrenz.

Patente, die sowohl für das eigene Geschäftsmodell grundlegend sind als auch das Interesse der Konkurrenz wecken, weisen einen hohen Marktwert auf. Sie sind essentiell und schützen die eigenen Produkte und das Geschäftsmodell, solange der Patentschutz anhält. Sollte der Patentschutz vor dem Auslaufen stehen, sind hier dringend neue Forschungs- und Entwicklungsstrategien einzuleiten. Denn nach Ablauf des Patentschutzes ist mit einer Verschärfung des Wettbewerbs zu rechnen, wie der Markt der Generika in der Pharmabranche immer wieder eindrucksvoll belegt. Patente mit geringem Marktwert, aber einem hohen Wert für die eigene Produktion, müssen selbstverständlich gehalten werden.

Auch Überlegungen der Kreuzlizenzierung mit strategischen Partnern könnten hier angebracht sein. Die Kreuzlizenzierung erteilt die wechselseitige Erlaubnis, Patente der jeweils anderen Partei zu nutzen. Damit können Gebiete oder Geschäftsbereiche strategisch so aufgeteilt werden, dass dem Wettbewerb das weitere Vordringen erschwert wird.

Zum Schutz des eigenen Marktes und Geschäftsmodells können sehr gut Patente eingesetzt werden. So konnte man bei Patentstreitigkeiten auf dem Markt für Smartphones in den letzten Jahren beobachten, wie über Patente um die Marktdominanz gekämpft wurde (vergleiche zum Beispiel Patentstreit Samsung und Apple). Mit dem Rechtsmittel der einstweiligen Verfügung können Wettbewerbsprodukte aktiv aus dem Markt gedrängt werden, so dass der Einsatz dieses Instrumentes höchst effektiv sein kann.

Es kann bei der wettbewerbsorientierten Analyse hilfreich sein, die Patente der Konkurrenz den entsprechenden Technologien zuzuordnen und zum Beispiel mit der Anzahl der Patente und dem zeitlichen Verlauf der Patentaktivitäten zu versehen. Der Analyst erhält so Auskunft über die aktuellen technologischen Schwerpunkte der Konkurrenz und erkennt die Technologiefelder, in denen noch Potential für Patentanmeldungen für das eigene Unternehmen besteht. Die Analyse kann auch verwendet werden, um über die Anzahl der Patente und die aktuellen Patentaktivitäten den Wettbewerbern einen Innovationsscore zuzuordnen. Es lässt sich aus der wachsenden Aktivität in bestimmten Technologiefeldern das Potenzial für die eigene Produktentwicklung abschätzen.

Natürlich sind neben diesen strategischen Analysen auch die Inhalte der Patentschriften von sehr großer Bedeutung, da durch die detaillierte technische Beschreibung des Patents sehr gute Einblicke in die neue Entwicklung gegeben werden. Gemeinsam mit den Fachleuten aus dem eigenen Unternehmen können die Folgen des Patents für die Wettbewerbsprodukte abgeschätzt, aber auch Impulse und neue Ideen für die eigene technologische Produktentwicklung gewonnen werden. Da zwischen der Patentanmeldung und der Marktreife der Produkte meist mehrere Jahre liegen, können diese Informationen auch als Frühwarnindikatoren verwendet werden.

Eine weitere Perspektive der Patentanalyse stellt die Vorbereitung von Mergers & Acquisitions dar. Um schnell in neue Technologiefelder einzudringen oder eine wettbewerbliche Position zu beziehen, kann aus strategischer Perspektive auch das Ziel verfolgt werden, andere Unternehmen zu übernehmen, die die entsprechende Technologie besitzen, oder Patente von Erfindern zu kaufen. Hier können Unternehmen neben strategischen Kooperationen mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen auch eigene Innovationsplattformen anbieten, wie z. B. das Bosch Power Tool-Innovationsportal (Vgl. Bosch Power Tool-Innovationsportal (URL) https://www.bosch-pt.com/innovation/).

2. Analysen des Marketing-Mix der Wettbewerber

Bei den Analysen im Marketing-Mix wurden die spezifischen Modelle im Bereich der Produktpolitik bereits im Kapitel Produktanalysen vorgestellt. Nachfolgend werden daher insbesondere die bislang nicht thematisierten Bereiche Marketingkommunikation, Preispolitik und Online-Vertrieb betrachtet.

Das kostenfreie Webseminar “Marktanalyse und Wettbewerbsanalyse”

2.1 Analyse der Marketingkommunikation

Die Analyse der Marketingkommunikation kann zwei Perspektiven umfassen: Die Analyse der Marketingkommunikation der Konkurrenz und die Analyse der unternehmenseigenen Marketingkommunikation mit dem Ziel ihrer Optimierung im wettbewerblichen Vergleich.

Analyse der Marketingkommunikation der Konkurrenz

Im Kontext der Konkurrenzanalyse werden folgende Quellen- und Analyseverfahren eingesetzt:

Media-Monitoring:

Über Presse-Monitoring-Dienste wird der mediale Auftritt der Wettbewerber beobachtet. Durch Social Media Monitoring und Website-Überwachung wie unsere WEBCRAWLER (Link) können tagesaktuell die Veränderungen auf den Wettbewerberwebseiten verfolgt werden. Interessant ist hier die Themenanalyse – mit welchen Themen und in welchen Kontexten erscheint der Wettbewerb? Welche Themen möchte die Konkurrenz besetzen und wo könnten sich Synergien für das eigene Unternehmen ergeben?

Media Split:

Die Analyse des Media Splits beschäftigt sich mit der Streuplanung der Kommunikation des Wettbewerbs. Sie beantwortet die Frage, in welchen Medien der Wettbewerb seine Marketingkommunikation platziert, welche Werbemittel er bevorzugt und auf welchen Messen die Konkurrenz präsent ist. Dies gibt Impulse für die eigene Kommunikation und zeigt gleichzeitig Potential für Gegenmaßnahmen. Interessant ist auch, inwieweit die Kommunikation des Wettbewerbs zyklisch erscheint – die Zyklen geben Hinweise auf zeitliche Chancen für die Kommunikation des eigenen Unternehmens.

Qualitative Analyse der Kampagnen:

Bei der Analyse der Kampagnen des Wettbewerbs werden die beworbenen Angebote analysiert, das verwendete Wording und die Key Visuals. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Kampagnen für neue Produkte, aber auch Rabattaktionen sind wichtig, da sie die eigenen Angebote in Bedrängnis bringen könnten.

Messebeobachtung:

Gerade Messen sind eine sehr gute Möglichkeit zur Wettbewerbsbeobachtung. Neben den neuen Produkten kann auf Messen der kommunikative Auftritt der Konkurrenz einer direkten Analyse unterzogen werden.

Verpackungspolitik:

Analyse der Verpackung des Wettbewerbs hinsichtlich des kommunikativen Beitrags, dem Verkaufsvorteils am POS und der Steigerung der Distributionsfähigkeit.

Markenpolitik:

Analyse der Markenarchitektur und Markenführung des Wettbewerbs.

Positionierungsanalyse:

Die Positionierungsanalyse beschäftigt sich mit der kommunikativen Positionierung des Wettbewerbs und beantwortet die Frage, welche besondere Stellung das Wettbewerbsunternehmen mit seinem Angebot im Bewusstsein seiner Abnehmer erreichen möchte. Zur Visualisierung kann die Joint Space Map verwendet werden, die die verschiedenen Anbieter / Angebote am Markt im Wahrnehmungsraum der Konsumenten positioniert.

Kommunikationsbudget:

Durch die Analyse des Media Split und das Media-Monitoring kann das vom Wettbewerb eingesetzte Kommunikationsbudget abgeschätzt werden. Der Anteil der wettbewerblichen Kommunikation an der Gesamtkommunikation des Marktes kann mit der Kennzahl Share of Advertising gemessen werden, Bezugspunkt der Kennzahl sind die Werbeausgaben der gesamten Branche.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der Marketing Intelligence kann die Analyse der digital gestellten Anfragen durch Anwender bei Wettbewerbsprodukten sein, sei es in Form von Reviews, Suchanfragen auf Suchmaschinen oder Social Media Kommentaren. Diese Daten könnten über Machine Learning oder durch statistische Analysen nach Häufigkeiten ausgewertet werden oder nach Auffälligkeiten, die zum Beispiel aufgrund einer gesteigerten Zahl an Reklamationen auf Probleme der Produkte hindeuten.

Analyse der Marketingkommunikation des eigenen Unternehmens

Bei der Analyse der Marketingkommunikation des eigenen Unternehmens können natürlich auch alle bereits vorgestellten Analysen der Wettbewerbskommunikation angewendet werden. Durch das Kommunikations-Benchmarking mit dem stärksten Konkurrenten können interessante Impulse gewonnen werden.

Im Zusammenhang mit der Website-Analyse fallen häufig die Begriffe Tracking und Clickstream.

Unter Tracking versteht man die Protokollierung des User-Verhaltens im Internet, indem zum Beispiel ein Tracking-Pixel oder ein digitaler Fingerabdruck verwendet wird, um den User wiederzuerkennen. Das Tracking könnte dabei auch über eine Plattform hinaus gehen und das Verhalten der User über mehrere Plattformen hinweg erfassen.

Clickstream hingegen bezeichnet die virtuellen Spuren, die digitalen Fußabdrücke, die die Websitebesucher beim Surfen auf einem Webangebot hinterlassen. Man kann diese als Trampelpfade bezeichnen, die User häufig beim Besuch durch die Abfolge der besuchten Seiten eines Webangebots beschreiten. Beide Informationen können zur Identifikation interessanter Userprofile genutzt werden oder zur Erkennung von Nutzerinteressen. Natürlich helfen diese Methoden auch zur Analyse und Optimierung des eigenen Webangebots.

Neben diesen strategischen Analysen stehen für die Optimierung einzelner Instrumente in digitalen Kanälen statistische Methoden und automatisierte Tests zur Verfügung. Als Beispiel soll der automatisierte A/B-Test (Split-Test) genannt werden. Bei diesem Testverfahren werden zwei verschiedene Varianten einer Website oder eines Werbemittels zufallsgesteuert an Webuser ausgespielt. In diesem experimentellen Setting kann über eine große Nutzerzahl statistisch signifikant ermittelt werden, welche Variante optimal zur Zielerreichung (zum Beispiel ein Klick auf ein Werbemittel oder auf ein Produkt) beiträgt. In einem multivariaten Test können natürlich auch mehrere Elemente modifiziert und viele verschiedenen Varianten statistisch getestet werden.

2.2 Analysen im Distributionskanal, insbesondere eCommerce

Die Distribution ist ein wichtiges Betrachtungsfeld in der Marketing Mix Analyse. Hier interessieren natürlich mit Blick auf den Wettbewerb die bedienten Distributionskanäle sowie die gewichtete Distribution in den verschiedenen Kanälen.

Die gewichtete Distribution drückt den Anteil des Umsatzes des eigenen Unternehmens oder der Wettbewerber in den verschiedenen Kanälen in Prozent aus. Somit wird die Bedeutung der jeweiligen Kanäle für die Unternehmen deutlich. Daraus ergeben sich Ansatzpunkte für Kanaloptimierungen, bisher nicht bediente Kanäle (White Spots) oder Angriffspunkte zur Wettbewerbsverdrängung im Distributionskanal können identifiziert werden. Im wettbewerbsorientierten Kontext können strategische Ziele für den Sortimentsanteil des eigenen Unternehmens in den verschiedenen Kanälen formuliert werden.

Neben dieser Basisanalyse interessieren bei der Analyse verschiedener Distributionsoptionen für das eigene Unternehmen auch die in den Kanälen erzielbaren Margen und die Bewertung der Distributionskanäle bezüglich ihrer Eintrittsbarrieren. Margenstarke Kanäle erhalten eine höhere Aufmerksamkeit in der Analyse. Der Zugang zu einem spezifischen Distributionskanal kann aber auch zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil werden, wenn der Eintritt für einen Konkurrenten nur schwer möglich ist. Auch diese Kanäle erhalten eine größere Aufmerksamkeit.

Bei den jährlichen Gesprächen mit den Distributionskanälen kann die Marketing Intelligence wichtige Insights für die Gesprächsvorbereitung liefern: Neben der Year-To-Date-Betrachtung (YTD) der Umsatzentwicklung mit dem Distributionskanal können durch Marketing Intelligence Erweiterungsoptionen und Optimierungspotential für den gemeinsamen künftigen Absatz erarbeitet werden, durch zum Beispiel Änderungen / Erweiterungen im angebotenen Sortiment oder veränderte Platzierungen. Auf Basis der Analyse der Sortimentszusammensetzung und Produktplatzierung in den umsatz- und renditestärksten Distributionskanälen können konkrete Handlungsempfehlungen in die Jahresgespräche integriert werden.

Interessant ist im Kontext der YTD-Betrachtung der Umsatzentwicklung neben der Wettbewerbsperspektive vor allen Dingen der Vergleich mit dem Marktwachstum. Durch die externe Marktperspektive wird eine objektive Messlatte an die eigenen Distributionsvoluminia in dem jeweiligen Kanal gelegt und eine konstruktive Diskussion mit dem Distributor (und dem eigenen Vertrieb) ist möglich.

Im Umfeld von Big Data Auswertungen können auch prädiktive Analysen auf Basis diverser Datenquellen einen unmittelbaren monetären Nutzen im Distributionskontext schaffen. So konnte in drogeriemärkten die benötigte Anzahl an Mitarbeitern in einer Filiale taggenau durch die Kombination diverser Quellen ermittelt werden. Dazu wurden Daten aus den Tagesumsätzen, die Paletten-Anliefer-Prognosen der Verteilzentren und filialspezifische Variablen wie Öffnungszeiten, Flächengröße mit weiteren Daten wie Ferien, Baustellen und Wettervorhersagen kombiniert. In der Folge erhielt das Unternehmen wesentlich genauer Plandaten als von den Filialverantwortlichen selbst (Vgl. Holland (2015) S. 23).

Sobald ein Unternehmen im eCommerce aktiv ist, fallen sehr viele interessante Daten im laufenden Distributionsprozess an, die interessante Einblicke in das Interessen- und Kaufverhalten der (potentiellen) Kunden geben.

Auf Basis der Bewegungs- und Einkaufsdaten auf den Websites können zum Beispiel folgende Analysen durchgeführt werden:

Warenkorbanalyse:

Analyse der häufig gemeinsam gekauften Produkte, um Potentiale für Cross- und Up-Selling zu erkennen. Sehr häufig werden diese Analysen und die abgeleiteten Empfehlungen durch Recommendation Engines realisiert, die diese Funktionalität in Online-Shops übernehmen.

Sortimentsanalysen:

Identifikation der Best Seller Produkte und Ausbau dieses Sortiments; Erkennung der selten gekauften Produkte oder der häufig retournierten Waren und Einleitung von Optimierungsmaßnahmen im Sortiment.

Kundenanalysen:

Hier sind eine Vielzahl von Analysen möglich, die sich auf die Kunden oder das Kundenverhalten beziehen:

  • Analyse der Warenkorbabbrecher und Ableitung von Maßnahmen zur Reduzierung der Abbruchquote.
  • Identifikation von Viel-Retournierern, um diese Kundengruppe im voraus zu erkennen und die Retourengefahr zu senken.
  • Fraud-Detektion um Betrugsversuche im Vorfeld zu erkennen und zu verhindern.
  • Klassifikation der Kunden nach möglichen Produktinteressen, um möglichst passende Produkte zu empfehlen, zum Beispiel durch die Identifikation statistischer Zwillinge.
  • Clickstreamanalyse, um die typischen Wege durch den Online-Store oder auf der Website zu erkennen und diese zu optimieren.
  • Payment-Analyse: Identifikation der bevorzugten Bezahlverfahren der Kundengruppen.

Akquisitionsanalyse:

Analyse der Kommunikationskanäle, die die Kunden mit der höchsten Conversion-Rate oder den volumenstärksten Warenkörben Analyse des optimalen Kommunikationszeitpunkts oder Kommunikationsanlasses für bestimmte Kundengruppen. A/B-Tests von Werbemitteln bzw. von Kaufimpulsen (z.B. Störer) im eigenen Shop zur Optimierung der Kommunikationsinstrumente.

Storeanalyse:

Analyse der Usability, des Storedesigns und der User Experience durch quantitative Verfahren (z.B. Zugriff-Logfiles, Clickstreams, A/B-Tests) oder qualitative Analysen des User Interface (z.B. Eyetracker-Tests).

Durch kontinuierliche Analysen können nicht nur die Online-Shops effizienter gestaltet werden, auch die User Experience erfährt eine kontinuierliche Verbesserung und das Angebot kann in der Produktpräsentation, aber auch in der Sortimentszusammenstellung optimiert werden.

Big Data macht es auch im E-Commerce möglich, aus den vorhandenen (User-)Daten detaillierte Nutzungs- und Bewegungsprofile abzuleiten. Schon die klassische Webanalyse stellt den Unternehmen viele Informationen zur Verfügung. Über Logfile-Analysen kann gemessen werden, wie viele Besucher sich auf der Seite befanden, die Klickraten und Klickwege auf der Website können analysiert werden, die Absprung-, Conversions- und Interaktionsraten und die Verweildauer der User aus spezifischen Zielgruppen kann untersucht werden.

Solche Daten können mit Informationen aus anderen Datenquellen, wie etwa aus dem CRM, der Warenwirtschaft oder aus ERP-Systemen kombiniert werden. Somit sind weiterführende Analysen möglich. Die Daten können dabei aus folgenden Quellen stammen:

  • Daten aus Digitalen Marketing-Kanälen wie etwa Google AdWords, Social Media, eMailings etc.
  • Tracking-Daten: Bestellungen, Umsätze, Artikel
  • Backend-Daten: Retouren, Stornierungen, Lieferzeiten
  • Technische Daten der Kundenzugriffe wie zum Beispiel Devices, Browser, IP-Adresse
  • CRM-Daten: Zuordnung zu Kundensegmenten, Kundenscoring u.a.
  • Einkaufsdaten: Gekaufte Produkte, Margen. Retouren, Kauffrequenz, Warenbon-Umsatz u.a.
  • Daten aus dem Produktinformationsmanagement (PIM): Anzahl von Klicks auf Produktbilder, Testberichte, Kundenbewertungen
  • Mobile Daten: Downloads von Apps, Sensordaten der Bewegung via GPS, Bewertungen in App-Stores u.a.

Zukünftig werden diese Datenquellen um Sensorik-Daten der verwendeten Internet of Thing / Smarten Produkte angereichert werden. So kann die Rückmeldung der Fitnesstracker weitere Informationen über sportliche Aktivitäten, Präferenzen von Trainingsstrecken, Wetterbedingungen u. v. m. liefern, um über kontinuierliche Big Data-Analysen dem Kunden individuelle Trainingsempfehlungen und Bekleidungsvorschläge aussprechen zu können. Gleiches gilt für Wartungs- und Servicebedarfe von B2B-Produkten.

2.3 Analyse der Preispolitik des Wettbewerbs

Die Preispolitik hat einen großen Stellenwert in der Wettbewerbsanalyse, da die Preise der Wettbewerbsprodukte einen unmittelbaren Einfluss auf die Absatzchancen der eigenen Produkte haben. Preiserwartungen der Abnehmer werden wesentlich über die wettbewerblichen Preise bestimmt und letztendlich setzen die Preisaktionen der Konkurrenz die eigenen Margen unter Druck.

Folgende Aspekte werden häufig in der Wettbewerbsanalyse betrachtet:

  • Preisbeobachtung: Kontinuierliches Monitoring der Wettbewerbspreise, sehr häufig anhand von Referenzprodukten. Dabei wird die Preisentwicklung der wichtigsten Referenzprodukte über eine Zeitreihenanalyse verfolgt.
  • Preisaktionen des Wettbewerbs: Analyse der Preisaktionen bezüglich Aktionsarten (Rabatt, Zugabe, Bundle etc.), Timing und Produkten.
  • Kostenstruktur der Wettbewerbsprodukte: Über die Preisbestimmung der Produktkomponenten und der Herstellkosten werden die Herstellkosten der Wettbewerbsprodukte und die Margen der Konkurrenz ermittelt. Durch die Bestimmung der margenstarken Produkte werden Angriffspunkte im Wettbewerbskampf sichtbar.
  • Preisstrategie des Wettbewerbs: Analyse der Preisstrategie (z.B. Penetrationspreisstrategie, Skimming Pricing, Premiumpreise, Promotionspreise), Nutzung von Preisdifferenzierungen (z.B. räumlich, zeitlich, personell, quantitativ oder Preisbündelung) und Ermittlung des Preisniveaus.

Die Preispolitik der Unternehmen ist im B2B-Umfeld häufig nicht transparent und kann nur durch Experteninterviews und in langwierigen Verfahren ermittelt werden. Auch im B2C-Bereich wird durch Dynamic Pricing die Preisbestimmung immer schwieriger. Preise werden bereits heute in manchen Branchen kundenindividuell bestimmt und sind somit für den Wettbewerb kaum mehr nachvollziehbar. Gleichzeitig unterstützen bei standardisierten Produkten Preisbots bei der Überwachung von Wettbewerbspreisen in Online-Shops und steuern wettbewerbsorientiert die Preise dynamisch aus. In diesem Umfeld zieht somit zunehmend die automatisierte Preisbildung ein, womit sich auch im B2C-Bereich die Preisanalyse zunehmend schwierig gestaltet.

Die Produktpolitik wird in diesem Kapitel nicht behandelt, da diese bereits in Teil 2 dieser Beitragsserie zu den Methoden der Wettbewerbsanalyse detailliert besprochen wurde.

3. Wargame

Die Methode der Wargames wird ausführlich in unsere Whitepaper Business Wargaming erläutert.

4. Delphi-Methode

Da gruppendynamische Effekte das Wissen einer Organisation verzerren können, wurden Methoden entwickelt, diese systematischen Fehler zu reduzieren oder zu verhindern. Eine Methode, um diese Fehler auszuschließen, ist die Delphi-Methode, die bereits in den 1950er Jahren von der RAND Corporation in den USA entwickelt wurde (Vgl. Kühnapfel (2015) S. 258 ff.).

Die Delphi-Methode setzt auf Expertenwissen, Vertraulichkeit und Iteration. Abhängig von der Themenstellung werden diejenigen Experten ausgewählt, die am meisten von der Aufgabenstellung und den relevanten Umfeldvariablen verstehen. So soll sichergestellt werden, dass tatsächlich relevante Informationen in den Evaluationsprozess einfließen und nicht Vorurteile und (zufällige) Intuitionen die Oberhand gewinnen.

Die Prinzipien der Vertraulichkeit und der Anonymität sollen dafür sorgen, dass möglicherweise unterdrücktes Wissen in den Evaluationsprozess eingeht. Status und persönliche Beziehungen sollen so den Prognoseprozess nicht verfälschen. Persönlichkeit und rhetorische Fähigkeiten fallen nicht ins Gewicht. Das Machtgefälle zwischen Vorgesetzten und Untergebenen wird eliminiert. Durch die Befragung mehrere Experten gewinnen in fünf von sechs Fällen Delphi-Prognosen gegenüber den Prognosen einzelner Experten bei der Gütebewertung (Zit. nach Kühnapfel (2015) S. 259.).

Das Prinzip der Iteration wiederum geht über das einfache Wiederholen des Prozesses hinaus. Die Ergebnisse der ersten Analyserunden fließen in die weiteren Iterationen ein. Durch die Rückkoppelung der Informationen aus den vorhergehenden Runden kann eine gemeinsame Prognose erstellt werden, die einem Konsens der beteiligten Experten nahekommt und den Diskussionsprozess bei unterschiedlichen Einschätzungen stimuliert.

Der Ablauf der Delphi-Methode folgt einem typischen Schema:

Das Verfahren beginnt mit der Definition und Erklärung der Spielregeln und des Ablaufs. Die Antworten auf die Fragestellung dürfen zwischen den Experten nicht abgesprochen oder diskutiert werden. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Konsensprognose als Ergebnis der Delphi-Befragung nicht alleine steht, sondern als Ergänzung neben weiteren Forecasts genutzt wird. Die Delphi-Methode ist ein methodischer Rahmen für den Austausch relevanter Argumente, aber auch ein Prozess, der eine Weiterbildung der eigenen Experten durch den Austausch mit anderen Experten unterstützt.

Alle Experten des Teilnehmerkreises werden mit einer durch die Moderation vorbereiteten Fragestellung bekannt gemacht. Die Fragestellung sollte das Thema, den Umfang, die Art und die Form der erwarteten Antwort präzise festlegen, damit die Rückmeldungen in einem möglichst einheitlichen Format erfolgen, was die weitere Bearbeitung erleichtert. Je nach Art und Umfang der Fragestellung bietet es sich an, eine Antwortstruktur durch einen Fragebogen vorzugeben. Entscheidend ist, zu diesem Zeitpunkt, keine Diskussion zuzulassen.

Dabei hat es sich bewährt, eine Prognoseskizze für das zu prognostizierende Szenario von allen Experten zu verlangen. Dabei sollen offene Fragestellungen deutlich gemacht und Nebenhypothesen aufgestellt werden. Die Experten sollen zudem jeweils eine quantitative Einschätzung für die Prognose aufstellen. Schließlich empfiehlt es sich, die Einschätzungen begründen zu lassen.

Im nächsten Schritt wird den Experten Zeit für die Bearbeitung der Fragestellung eingeräumt. Abhängig von Art und Umfang der Fragestellung kann dieser Zeitraum unterschiedlich lang sein. In dieser Phase besteht das Risiko, dass die Mitarbeitende die Voraussetzung für eine unbeeinflusste Delphi-Prognose, nämlich ihre Anonymität, im Unternehmensalltag selbst verletzen. Es ist jedoch wichtig, dass die Experten möglichst versuchen, ihre eigenen Vorstellungen ohne Fremdeinwirkung niederzuschreiben. Nur so kann vermieden werden, dass sich die systematischen Fehler wieder einschleichen.

Nach dem Rücklauf der Fragebögen beginnt die Auswertung der Antworten durch die Moderation. Bei der Aufbereitung der Antworten in Textform liegt es an den Moderatoren, die Gedankengänge und Argumente der Experten zu verstehen und die entscheidenden Gründe für die jeweiligen Vorhersagen herauszuarbeiten und aufzulisten.

Die Auswertung wird nun den Experten zurückgespielt. Die Experten sollen sich objektive mit den Argumenten auseinandersetzen, die ihren eigenen Prognosen widersprechen oder sie auf Ideen hinweisen, die ihnen verborgen geblieben waren. Die Experten werden dazu aufgefordert, offen für die neuen Aspekte zu bleiben und diese gegebenenfalls bei ihren weiteren Prognosetätigkeiten zu berücksichtigen. Um den Effekt dieser Konfrontation auf die Experten zu untersuchen, schließt sich eine weitere Bearbeitungsrunde an. In dieser wird anhand eines ähnlichen Fragebogens wie in der ersten Runde erfragt, wie die Prognosen in quantitativer und qualitativer Form ausfallen, nachdem sie die Argumente der anderen Experten und deren Einschätzungen kennen. Zudem kann die Moderation kritische Punkte weiter beleuchten und möglicherweise neue Aspekte und zusätzliche Fragestellungen, die sich aus der ersten Auswertung ergeben haben, in die zweite Runde mit einbringen.

Die Bearbeitung der erweiterten (neuen) Fragestellungen durch die Experten beginnt. Nach dem Rücklauf der Antworten aus der zweiten Runde werden diese durch die Moderation ausgewertet und die Auswertung wieder an die Experten zurückgemeldet. Nach einer dritten Runde der Bearbeitung durch die Experten und Rückmeldung an die Moderation ist es an der Zeit, die Ergebnisse festzuhalten. Weiterhin vom Konsens abweichende Meinungen werden dabei hervorgehoben und sollten abhängig von der Frage, wie stark die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Prognosen geblieben sind, als Indikator dafür angesehen werden, als wie sicher die Vorhersagen eingeschätzt werden können.

Dieser (Iterations-)Prozess kann prinzipiell solange wiederholt werden, bis zufriedenstellende Prognosen vorliegen bzw. ein Konsens zwischen den beteiligten Experten erreicht ist. Allerdings ist beim Konsens zwischen den Experten darauf zu achten, dass dieser nicht das Ziel der Analyse ist und ein zu starker Druck in Richtung Konsensbildung zu einer Verfälschung der Expertenmeinungen führt. Der Vorteil des Prozesses ist, dass sich die einzelnen Experten mit den durch die Moderation neutral vorgetragenen Argumenten der Kollegen auseinandersetzen. Die einzelnen Experten werden nur dann ihre eigene Position anpassen, wenn sie von der Macht des besseren Arguments überzeugt werden.

5. Frühwarnsignale / Frühwarnsystem

Frühwarnsignale sind herausragende Indikatoren, die uns frühzeitig auf Veränderungen der Umwelt hinweisen. Diese Signale kündigen mögliche Veränderungen an und geben dem Unternehmen den notwendigen zeitlichen Vorlauf, um sich auf diese Veränderungen vorzubereiten.

Die Frühwarnsignale können sich dabei auf alle Ebenen der Marketing Intelligence beziehen: Veränderungen bei den Kunden, im Markt, bei den Wettbewerbern, in den Lieferketten oder in den regulatorischen Bedingungen der Umwelt.

Manche Frühwarnsignale werden über die kontinuierliche Beobachtung von Kennzahlen erfassbar, wie z. B. die Veränderungen der Marktanteile oder die Anzahl der abgegebenen Angebote des eigenen Vertriebs in Relation zum Auftragseingang. Die Überwachung als Frühwarnsignal setzt voraus, dass diese sensiblen Kennzahlen in ein regelmäßiges Monitoring einbezogen werden.

Neben der Kennzahlenüberwachung spielen schwache Signale (weak signals) bei der Frühwarnung eine zentrale Rolle. Stehen etwa die Entwicklungen in der Produktpolitik der Konkurrenz im Fokus des Interesses, so können über externe Signale in einem speziellen Screening Hinweise erfasst werden. Wie in der Abbildung gezeigt, können erste Anzeichen für eine Produktentwicklung der Mitbewerber über vielfältige Signale erfasst werden:

  • Preisverleihungen für Innovationen auf Kongressen
  • wissenschaftliche Beiträge in Fachzeitschriften
  • Subventionen und (Forschungs-)Förderprogramme, die öffentlich in Förderdatenbanken publiziert werden,
  • Patente,
  • der Bau neuer Produktionsanlagen,
  • Auskünfte der Lieferanten,
  • die Einstellung von Mitarbeitern mit neuen Kompetenzprofilen,
  • Gespräche mit Händlern, Vertretern und sonstigen Absatzmittlern.

Wie diese Beispiele zeigen, gibt es eine Vielzahl schwacher (latenter) Signale in der Umwelt, die durch die Aktivitäten der Mitbewerber ausgelöst werden und die in einem Frühwarnsystem systematisch erfasst und ganzheitlich analysiert werden können, um tiefergehende Einblicke in die Konkurrenzstrategie zu erhalten. Dabei ist je nach Fragestellung ein Set von relevanten Frühwarnindikatoren zusammenzustellen.

Durch die Field Intelligence App des Wettbewerbsradar können solche Frühwarnsignale sehr niederschwellig und schnell in das eigene Unternehmen transportiert und in die zentrale Analyes integriert werden.

Frühwarnsignale im Produktbereich und mögliche Quellen

6. Analyse konkurrierender Hypothesen

Die Analyse der konkurrierenden Hypothesen unterstützt bei der Entscheidungsfindung, indem mehrere mögliche Hypothesen auf der Basis von Fakten validiert werden. Ziel ist es, typische Probleme in der Entscheidungsphase wie zum Beispiel die Bestätigungsverzerrung zu umgehen.

Bei der Bestätigungsverzerrung werden Fakten und Szenarien, die die eigene Meinung bestätigen, für wahr gehalten und primär beachtet, widersprüchliche Tatsachen werden bei der Bewertung der Gesamtsituation ausgeblendet. Somit werden wesentliche Bedingungen in der Umwelt ignoriert, die bei einer objektiven Betrachtung starke Indikatoren für künftige Entwicklungen sind. Auch wird bei diesen vorgefassten Meinungen nicht hinterfragt, welche Informationen zur Entscheidungsfindung fehlen (Vgl. Kühnapfel (2015) S. 93 f.).

Insbesondere bekannte psychologische Effekte wie der Priming-Effekt (wir glauben das, was wir als letztes gehört haben, zum Beispiel dass ein Wettbewerber eine neue Produktionsanlage in unserem Heimatmarkt baut), der Halo-Effekt (wir glauben der Meinung eines Experten / Top-Managers), der Überoptimismus (Neigung zu einer zu positiven Einschätzung der Zukunft, zum Beispiel das „Kleinreden“ einer Wettbewerbsbedrohung), die Veränderungsaversion (das Festhalten an einer bekannten Strategie – auch genannt Status-quo Bias) und die vorgestellten Heuristiken befördern dieses Verhalten.

Durch die Methode der Analyse konkurrierender Hypothesen (ACH-Matrix) werden mehrere Hypothesen über künftige Szenarien möglichst objektiv bewertet. Dazu wird auf Basis verschiedener Fakten und Analysen für alle möglichen Hypothesen die Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet. Ein Beispiel ist die in der nachfolgenden Abbildung gezeigte Abschätzung der nächsten Schritte eines neuen Wettbewerbers auf dem eigenen Heimatmarkt. Die Wahrscheinlichkeiten der verschiedenen Hypothesen werden auf Basis der einschlägigen Indikatoren bewertet, um möglichst objektiv die wahrscheinlichsten und plausibelsten Hypothesen zu identifizieren.

Beispiel der Bewertung konkurrierender Hypothesen

In der Abbildung werden drei mögliche Alternativen der künftigen Wettbewerbsstrategie verglichen:

Der Ausbau der Marktpräsenz des Wettbewerbers durch den Markteintritt, der Aufbau eines Joint Ventures mit einem bereits bekannten Marktbegleiter oder der Marktaustritt aus dem Heimatmarkt. Zur Bewertung der Hypothesen werden vier unterschiedliche Quellen ausgewertet: Die Analyse von Kundengesprächen mit Gerüchten über den Wettbewerber, die Einschätzung des eigenen Vertriebs, die Gespräche mit den Lieferanten und die Auswertung der Stellenanzeigen des Wettbewerbers. Die Bewertung der Evidenzstärke jedes Faktors für jede der drei Hypothesen erfolgt dabei durch den Analysten oder durch ein Team.

Die Faktoren werden bewertet bezüglich ihrer Konsistenz und der Wahrscheinlichkeit, mit der sie auf die einzelnen Hypothesen einzahlen. Nach Verdichtung aller Fakten und der stärkeren Bewertung der externen Meinungen scheint im obigen Beispiel die Bildung eines Joint Ventures das wahrscheinlichste Szenario zu sein. Im Ergebnis liegt nach dieser Analyse ein differenziertes Gesamtbild vor und in der weiteren Diskussion zur Entwicklung von Gegenmaßnahmen kann im Unternehmen fundierter über die möglichen Szenarien diskutiert werden.

Das Ziel der Marketing Intelligence ist die Ableitung handlungsorientierter Entscheidungsvorlagen. Es ist für den Analysten daher nützlich, grundlegende Strategieoptionen zu kennen, die als Handlungsmuster in Frage kommen. Daher werden im nächsten Kapitel grundlegende Strategieoptionen im Kontext der Markt- und Wettbewerbsanalysen erörtert.

7. Wettbewerberlandkarte Adaptionsfähigkeit / Schnelligkeit / Bedrohungspotential

Digitalisierung und Globalisierung führen dazu, dass Wettbewerber aus anderen Branchen in die eigenen Märkte vordringen und dort wesentliche Veränderungen auslösen. Als Beispiel kann das Vordringen von Smartphones als Bezahllösung in die klassischen Supermärkte zu nennen oder der Einsatz von mobilen Anwendungen zur Steuerung von Heizungsanlagen.

Nach Budhiraja sind in diesen Zeiten des rasanten Wandels die Adaptionsfähigkeit und die Schnelligkeit der Implementierung die alles entscheidenden Wettbewerbsvorteile (Vgl. Budhiraja (2016) S. 44.). Die digitalen Unternehmen erarbeiten sich nach dem Markteintritt permanent Wettbewerbsvorteile, da sie durch die Datenanalyse des Kundenverhaltens wichtige Insights generieren können und so höchst dynamisch ihre Produkte weiterentwickeln

Agilität (der Begriff Agilität kommt aus der Softwareentwicklung und bezeichnet die flexible Anpassung der Produkte an die Anforderungen der Kunden im Entwicklungsprozess – im Gegensatz zu starren Prozessmodellen wie dem klassischen Wasserfallmodell mit fest aufeinander folgenden Phasen der Produktentwicklung. Auch Organisationen sollen heute agil sein, um sich schneller dem wandelnden Marktumfeld anzupassen.) bestimmt die Organisations- und Produktentwicklung und wird zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Digitale Technologien schaffen aber auch über neue Konzepte der Produktindividualisierung, der Prozessveränderung oder der Nutzensteigerung über IoT-Erweiterungen wesentliche neue Produktentwicklungsmöglichkeiten.

Dabei sind die entstehenden Chancen der jungen Technologieunternehmen eine Bedrohung für die etablierten Marktakteure. Die technologischen Möglichkeiten ändern die bestehenden Marktstrukturen und die Wettbewerbslandschaft – bislang fremde Technologien müssen für die eigene Branche adaptiert werden.

Budhiraja hat eine Formel zur Einschätzung des Veränderungspotentials durch neue Lösungen und fremde Anbieter in einem Markt entwickelt:

Nach seiner Einschätzung hängt das Veränderungspotential beziehungsweise das Bedrohungspotential von der Größe des eintretenden Wettbewerbers sowie von der Geschwindigkeit der Veränderung in dem Markt ab.

Große Unternehmen können mit der stärkeren Finanzkraft und ihrer Marktmacht die Strukturen der Märkte nachdrücklicher verändern als kleine – so schafft Tesla mit seiner Finanzkraft durch die Durchdringung der automobilen Märkte mit Ladestationen die bisher bestehenden Marktbarrieren für elektronische Autos zu senken.

Die Anpassungsgeschwindigkeit des Wettbewerbs ist bei schnellen Änderungszyklen ein großes Bedrohungspotential (oder für den Anbieter eine große Chance), da den bisherigen Marktpartnern die Zeit für die Adaption der Technologie fehlt.

Als Hilfsmittel zur Einschätzung der Situation können die Marktbegleiter in einer Übersicht bewertet werden, wie in nachfolgender Tabelle geschehen:

Unternehmensbewertung nach Unternehmensgröße und Veränderungsrate

Die Bewertung kann in einer Wettbewerberlandkarte visualisiert und mit möglichen Strategien verknüpft werden, wie nachfolgende Grafik zeigt:

Wie man an der Wettbewerberlandkarte sieht, können durch mehrere Beobachtungszeitpunkte oder durch den Entwurf von Zukunftsszenarien die Entwicklungen der verschiedenen Marktbegleiter visualisiert werden. Dies hilft zur Abschätzung des Gefährdungs- / Chancenpotentials, die Quadranten zeigen mögliche Handlungsstrategien auf. So können interessante Start-ups im Bereich der Akquisition und Kollaboration eingeordnet und gefährliche neue Marktbegleiter mit steigendem Risikopotential identifiziert werden.

Da die Faktoren der Anpassungsfähigkeit, der Änderungsgeschwindigkeit und der Beherrschung neuer Technologien einen immer größeren Einfluss auf die Marktperformance der Unternehmen haben, sollte die Wettbewerbsanalyse diese Aspekte für die Strategieentwicklung in die generellen Betrachtungen der Markt- und Wettbewerbsentwicklungen einfließen lassen.

8. Entwicklung von wettbewerblichen Strategien

Die Entwicklung von wettbewerbsorientierten Gegenstrategien ist ein mögliches Ziel der Competitive Intelligence Analysen.

Es können folgende wettbewerbsorientierte Basisstrategien unterschieden werden:

  • Angriffsstrategie,
  • Abwehrstrategien,
  • Abschreckungsstrategien,
  • strategischer Rückzug.

Nach der Analyse der wettbewerblichen Strategiemuster kann eine strategische Ausrichtung die Entwicklung von Angriffs- oder Abwehrstrategien gegen konkrete Mitbewerber sein.

Die Gegenstrategien sollten möglichst konkretisiert werden, das heißt neben der strategischen Grundausrichtung sollten auf jedem Fall konkrete Maßnahmen im operativen Marketing geplant werden.

Zur Ableitung der Maßnahmen können verschiedene Modelle zu Hilfe genommen werden. In folgendem Schaubild werden die klassischen vier Marketing-Mixes als Ordnungskriterien verwendet, es sind natürlich auch andere Strukturierungen problemlos anwendbar – sie sollten sich an dem Raster orientieren, nach dem das Unternehmen seine eigenen Marketingaktivitäten plant:

Entwurf von Gegenstrategien auf Aktionsebene der Marketing-Mixes

Bei dieser Planung müssen möglichst konkret Gegenmaßnahmen entwickelt und deren Umsetzung verfolgt werden.

Da nicht immer alle Planungen realisiert werden können, sollte im Unternehmen mitgeführt werden, welche Planungen in der Realität umgesetzt wurden und inwieweit die Anwendung des Instruments die erhoffte Wirkung bei dem Konkurrenten erzielen konnte.

So kann innerhalb des Unternehmens ein Lernprozess über erfolgreiche Gegenmaßnahmen gegen konkrete Mitbewerber einsetzen und die Entwicklung der Gegenstrategien wird nachhaltig erfolgreicher.

Angriffsstrategien

Zu den Angriffsstrategien zählen verschiedene Strategieansätze, die Handlungsoptionen auf mehreren Ebenen bieten (Vgl. zum Folgenden Jenster (2009) S. 41 ff.):

Eine klassische Variante ist der direkte Angriff auf die strategische Entwicklung des Wettbewerbers. Hierunter fällt zum Beispiel die Strategie, mit einem neuen Produkt vor allen Wettbewerbern auf den Markt zu kommen oder einen Produktlaunch des Wettbewerbs durch eine massive Preisaktion oder Werbekampagne zu behindern.

Nischenstrategie

Bei einem direkten Angriff auf zum Beispiel schwache Produktsegmente oder in regionalen Märkten, in denen die Wettbewerber eine schwache Stellung haben, sind mit dieser Strategie auch Erfolge zu erzielen. Ein Beispiel: Es war eine Strategie der japanischen Automobilhersteller, ihre Produkte zunächst im Low-Cost Bereich anzusiedeln, um von dieser Position aus weitere Marktsegmente zu erobern. Durch diese so genannte Flankierung der Wettbewerber lassen sich strategische Vorteile teilweise leichter erzielen. Das eigene Unternehmen etabliert sich zunächst in einem weniger attraktiven Marktsegment der Konkurrenz und erringt so erste Markterfolge (zum Beispiel im Niedrigpreissektor oder in margenarmen oder kleineren Segmenten, die als nicht bedeutend oder als unattraktiv eingeschätzt werden). Diese Strategie beschreibt Clayton Christensen auch als das Vorgehen, in dem viele disruptive Innovationen etablierte Märkte erobern und Stück für Stück von der Nische ausgehend den gesamten Markt gewinnen (Vgl. Christensen (2011)).

Als Beispiel für die Strategie der Flankierung kann das Vorgehen von Toyota auf dem US-amerikanischen Markt genannt werden: bereits in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Toyota Motor Sales U.S.A. Inc. gegründet, um den amerikanischen Markt bedienen zu können (Vgl. Toyota Company History). Das Auto Corona stellte in den 60er Jahren das erste erfolgreiche Modell auf dem US-Markt dar und konnte sich 1966 bereits 20.000 Mal verkaufen. Mit einem Verkaufspreis von 1.745 USD war der Corona verhältnismäßig erschwinglich – bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 4.938 USD betrug der Neuwagenpreis etwa das Vierfache eines durchschnittlichen US-Monatsgehalts – anders als zum Beispiel Cadillac verfolgte Toyota zunächst eine Niedrigpreisstrategie.

Erst im Herbst 1989 begann Toyota über die Marke Lexus Automobile im Luxus-Segment zu produzieren und die Fahrzeuge in Europa und den USA zu vertreiben. 2018 betrug der Basispreis des Lexus LS 93.000 EUR im Vergleich zu seinem direkten Konkurrenten, der Mercedes S-Klasse (84.638 EUR). Lexus gelang es, aus der Nische kommend das etablierte Segment der Luxus-Automobilmarken zu erobern. Hohe Qualitätsstandards trugen dazu bei, dass der Lexus 2014 den ersten Platz bei Kundenzufriedenheitsbefragung in den USA einnehmen konnte.

Frontalstrategie

Eine sehr riskante, aber dennoch in bestimmten Situationen von Erfolg gekrönte Strategie ist die Frontalstrategie, bei der der Wettbewerber dort angegriffen wird, wo er am stärksten ist. Diese Strategie ist meist mit hohen Kosten verbunden, die sich womöglich erst langfristig auszahlen werden. Es ist damit zu rechnen, dass der Wettbewerber dort, wo er sich stark fühlt, direkt reagiert und entsprechend stark zurückschlägt. Ist aber zum Beispiel eine Preissenkungsstrategie im wichtigsten Marktsegment eines starken Wettbewerbers erfolgreich, kann dies zu einer enormen Schwächung der Konkurrenz führen.

In den meisten Fällen lassen sich aber Kosten und Risiken reduzieren, indem ausgefeiltere Taktiken und Strategien angewendet werden. Der gleichzeitige Angriff in verschiedenen Segmenten, in denen der Wettbewerber aktiv ist, erzeugt möglicherweise einen höheren Druck (ähnlich einer Umzingelung). Auch Guerilla-Taktiken sind valide Strategien – dabei werden durch den Einsatz der eigenen Marktmacht dauerhaft kleinere Maßnahmen an den Schwachstellen der wettbewerblichen Konstellation durchgeführt, um schneller größere Marktanteile zu erringen. Dies kann zum Beispiel die Abwerbung kleinerer Handelspartner sein, die nach und nach zu einer verringerten Marktpräsenz der Konkurrenz führt.

Lieferantenpolitik

Ähnlich wie im militärischen Kontext kann es auch eine nachhaltige Strategie sein, wichtige Liefer- und Nachschubwege der Konkurrenz anzugreifen. Dies kann durch die Abwerbung von Kooperationspartnern oder gar die Übernahme von Zulieferern erfolgen. So war die Übernahme von Rover im Jahr 1994 durch BMW ein schwerer Schlag für den bisherigen Rover-Kooperationspartner Honda. Und Ferrero sicherte sich 2014 zur Abwendung der Haselnuss-Krise die Haselnussproduktion der Türkei durch die Übernahme des zentralen Zulieferers.

Abwehrstrategien

Die Abwehrstrategien reagieren auf Bedrohungsmuster (Vgl. Jenster (2009) S. 49 ff.). Sie dienen vor allen Dingen dazu, neu eintretende Wettbewerber und die Aktivitäten bekannter Wettbewerber abzuwehren, die auf Kosten unserer Marktanteile wachsen wollen. Bedrohlich sind hierbei vor allen Dingen die Maßnahmen des Wettbewerbs, die darauf abzielen, die Marktmechanismen insgesamt zu beeinflussen. Dies kann durch eine aggressive Rabattpolitik für die Distributionskanäle geschehen oder durch ungewöhnliche Marketingaktivitäten wie überraschende Preisänderungen, den massiven Ausbau des Verkaufsteams, ein starker Werbedruck oder neue Serviceangebote.

Als Abwehrstrategie kann ein selbst erzeugter hoher Werbedruck potentielle Angreifer adressieren, bevor überhaupt der Angriff stattgefunden hat. Auch die Übernahme eines Konkurrenten zählt zu den Abwehrstrategien. Als das im Jahr 2005 gegründete Internetportal „YouTube“ innerhalb von sechs Monaten zum Marktführer mit einem Marktanteil von 46% auf dem Bewegtbildmarkt im Internet avancierte, während der Suchmaschinenbetreiber „Google“ mit „Google Video“ nur 11% Marktanteil erreichte, kaufte Google den Wettbewerber für 1,3 Milliarden Euro auf. Mit diesem Schachzug konnte Google andere Konkurrenten wie Yahoo überbieten und setzte sich damit im Oktober 2006 an die Spitze des neuen digitalen Marktes.

Abwehrstrategien sind jedoch grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen: Sie werden teilweise als unmittelbare Reaktion auf den Wettbewerb in einem Aktionismus durchgeführt, ohne eine eigene Strategie zu verfolgen – daraus können sich für Unternehmen gefährliche Situationen entwickeln.

Abschreckungsstrategien

Die Abschreckung ist der Verteidigung in vielen Fällen vorzuziehen, da eventuelle Schäden, die durch einen Angriff entstehen könnten, abgewehrt werden.

Werden drastische Maßnahmen eingesetzt, spricht man von der Abschreckungsstrategie. Damit sollen neue Wettbewerber vor dem Markteintritt in das eigene Segment gewarnt und der Marktanteilsgewinn des Wettbewerbs nachhaltig unterbunden werden.

So hat es zum Beispiel Johnson & Johnson 1975 geschafft, den Markteintritt eines neuen Kopfschmerzmittels des Wettbewerbers Bristol-Myers in den USA zu unterbinden, indem sie durch die Überwachung der Testmärkte des Wettbewerbers frühzeitig von der Markteinführung erfuhren und die Preise des eigenen Produktes gleichzeitig zum Markteintritt an den Wettbewerbspreis anpassten.

Gleichzeitig klagte Johnson & Johnson gegen die Wettbewerbskampagne, die auf den nicht mehr vorhandenen Preisvorteil aufbaute. Die Abschreckung war durch den präventiven Schlag gelungen und der Wettbewerber erreichte nie mehr als 1% Marktanteil (Vgl. Ries; Trout (1986) S. 61 f.).

Andere Möglichkeiten der Abschreckungsstrategie sind zum Beispiel die frühe Ankündigung eines Produktlaunches, die Ankündigung von Kapazitätsausweitungen oder ein glaubhafter Bluff, der allerdings schnell die Grenze zur Fake News überschreiten kann: So kündigte Boeing den Bau des Super-Jumbos 747X im ewigen Wettbewerb mit Airbus zur Positionierung gegen den A380 im Jahr 2000 an – ein Flugzeug, das nie gebaut wurde. Kriminell sind Aktivitäten wie die Streuung gefälschter Pressemeldung. So brach zum Beispiel im Februar 2016 die Aktie des Baukonzerns Vinci ein, nachdem Hacker eine gefälschte Pressemitteilung über eine Bilanzprüfung in Umlauf gebracht hatten.

No Frills-Strategie, Ambush Marketing und strategische Kooperationen

a) No Frills-Strategie

Muss eine Preisreduktion in einem Angriffs- oder Abschreckungsszenario langfristig gehalten werden, kommen gegebenenfalls gleichzeitig Senkungen der Produktqualität ins Spiel. Die Strategie des geringen Preises und der geringeren Qualität – die No Frills-Strategie – kann bei kleineren Reserven des eigenen Unternehmens oder in preissensiblen Marktumfeldern nachhaltigere Ergebnisse zeichnen, als ein offener Preiskampf.

Ein gutes Beispiel für die No Frills-Strategie ist Siemens mit dem Aufbau der Marktpräsenz im Bereich Gebäudetechnik über die Produkte der Marke Cerberus gelungen, indem die Funktionalität der eigenen Produkte für den asiatischen Markt reduziert wurde, um im Preiskampf mit der starken chinesischen Konkurrenz zu bestehen (Vgl. Plötner (2012) S. 47 ff.).

Je nach Stärken und Schwächen der Konkurrenz kann auch die gegenteilige Strategie Erfolg versprechend sein, also die Steigerung der Qualität des Produktes entweder bei gleichzeitiger Preissteigerung oder ohne parallele Preisentwicklung. Für diese Strategie sind eigene Kapitalreserven und Überlegungen zu Marktpenetrationsstrategien und nachhaltigen Unternehmenszielen ausschlaggebend.

Strategien, die auch kostenintensiv sein können, ohne direkt auf einen Preiskampf abzuzielen, umfassen zum Beispiel die Profilierung des eigenen Produktes, die Entwicklung von Produktinnovationen bis hin zu disruptiven Entwicklungen, oder auch der Aufbau von Innovationen in der Distribution z.B. durch den Vertrieb der Produkte in Onlineshops.

b) Ambush-Marketing

Weitere strategische Maßnahmen sind Kommunikationsmaßnahmen, imagefördernde oder verkaufsfördernde Maßnahmen, die, am richtigen Ort eingesetzt, die Konkurrenz deutlich schwächen können. So stahl Puma durch Ambush Marketing (Ambush-Marketing wird als Schmarotzer-Marketing bezeichnet: Ein Unternehmen nutzt die mediale Aufmerksamkeit zum Beispiel bei einem Sportevent für eigene Zwecke, ohne selbst Hauptsponsor zu sein.) mit dem geschickten Einsatz seines Celebrity Usain Bolt den Hauptsponsoren von Olympia 2016 mit einem eleganten Coup die Show (Nach seinem Sieg im 100 m Lauf hob Usain Bolt seine Laufschuhe von Puma provokativ in die Kameras.).

c) Strategische Allianzen

Auch strategische Allianzen können einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil schaffen und zu einer positiven Marktanteilsentwicklung führen. So gelang Microsoft durch die Kooperation mit IBM und die Installation seiner Software auf jedem ausgelieferten PC der Aufstieg zu einem weltweit führenden Softwareanbieter.

Erfolgsfaktoren der strategischen Entscheidung

Die strategischen Mittel, die sowohl bei Angriffs- als auch bei Abwehrstrategien genutzt werden können, bestehen aus Maßnahmen zur Optimierung der eigenen Marktpräsenz im Kontext der Markterfordernisse durch die Ausnutzung strategischer Vorteile und die Beseitigung der eigenen Schwachstellen.

Dazu sollten wie zuvor beschrieben zunächst die Schwächen der Wettbewerber, die Stärken des eigenen Unternehmens und die Chancen und Risiken des Marktes möglichst objektiv evaluiert werden. Dabei ist bei der Evaluation der Wettbewerber darauf zu achten, das gesamte Wettbewerbsunternehmen im Blick zu haben und nicht nur ein Produktsegment oder eine Marke.

Auf Basis der Analyse kann zum Beispiel durch die Gestaltung der Produktpalette im Kontext der Wettbewerbssituation oder durch die eigene Preisgestaltung die Konkurrenz unter Druck gesetzt werden.

Dabei kann es vorteilhafter sein, den Wettbewerber in den Bereichen zu treffen die ihm wichtig sind, anstatt eine direkte Gegenattacke beim Angriffspunkt zu starten.

Dabei werden die Erfolgschancen der Strategie wesentlich von den Branchenstrukturen bestimmt. Handelt es sich um einen hoch fragmentierten Markt, wie zum Beispiel den Markt der Consultingdienstleistungen, wird auf Aktivitäten des Wettbewerbers wenig reagiert, da das einzelne Unternehmen meist wenig betroffen ist. In einer Branche mit fünf dominanten Wettbewerbern findet eine starke Beobachtung jedes einzelnen Marktbegleiters statt, jede Aktivität hat unmittelbare Auswirkungen auf das eigene Geschäft, daher werden alle Handlungen des Wettbewerbs bewertet und entsprechend reagiert.

Ähnliche Konsequenzen ergeben sich aus den Wachstumsraten eines Marktes. Gerät ein Markt in die Stagnation oder gar Regression, ändern sich die Verhaltensmuster der Wettbewerber. Der Kampf um die Marktanteile wird härter und Rivalitäten brechen deutlich sichtbar am Markt auf. Eine Situation, die zum Beispiel durch das schnelle Eindringen neuer Technologien in einen Markt durchaus überraschend eintreten kann. Während in profitablen Industrien der Wettbewerb oft entspannter abläuft, kann sich dies rasch ändern, wenn die Margen zu fallen beginnen.

Ebenso sollte bei der Entwicklung der Wettbewerbsstrategie darauf Rücksicht genommen werden, dass beim Eigentümerwechsel eines Wettbewerbers eine neue Führungsmannschaft oder die Eigentümer selbst ein anderes Wettbewerbsverhalten als bisher an den Tag legen – denn die Führungskräfte machen in jedem Unternehmen den großen Unterschied. Auch Produkteigenschaften beeinflussen die Wettbewerbslandschaft und die Wettbewerbsintensität stark – etwa dadurch, dass zum Beispiel bei begrenzt haltbaren Produkten oder Dienstleistungen die Kunden in der Regel durch den Wettbewerb stärker dazu animiert werden, ein Konkurrenzprodukt auszuprobieren oder Lagerbestände über aggressive Preisaktionen abgebaut werden.

Der strategische Rückzug

Eine nicht gern diskutierte, aber dennoch mögliche Strategie stellt der strategische Rückzug dar. Wird die Konkurrenz dominant und ein Segment ist nicht mehr attraktiv kann es eine Option sein, sich aus dem Markt komplett zurück zu ziehen. So zog sich zum Beispiel IBM 2004 vollkommen aus dem PC-Geschäft zurück, nachdem die Konkurrenten Dell und HP den Consumer-Markt dominierten und die Margen nicht mehr attraktiv waren.

Wenn die Kosten der Konkurrenzabwehr die Gewinne beim Halten der Marktposition übertreffen, sollte der Rückzug erwogen werden, auch wenn dieser Schritt jeder Führungskraft emotional schwerfällt.

Die Rückzugsstrategie kann positiv verwendet werden, indem der Rückzug nicht sofort öffentlich kommuniziert wird. Vielmehr werden im Hintergrund neue Zukunftspläne vorangetrieben, während sich die Konkurrenten im Kampf um das Segment aufreiben. Allerdings kann ein direktes Verkaufsangebot an den Wettbewerber in solchen Situationen gleichermaßen lohnend sein. Wichtig bleibt auf jedem Fall, sich nach einem beschlossenen Rückzug auf die eigenen Stärken und Pläne zu konzentrieren.

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